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Wir gehen den „Emmendinger Weg“ - Interview mit Susanne Mc Cleskey

04.05.2022

Susanne Mc Cleskey ist Pflegedienstleiterin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie im ZfP Emmendingen. Gemeinsam mit den Stationen und verschiedenen Berufsgruppen geht sie den „Emmendinger Weg“. Im Interview erzählt Frau Mc Cleskey, was sich hinter dem „Emmendinger Weg“ verbirgt und was die Besonderheiten der Psychiatrie sind.

 

Was versteckt sich hinter dem Begriff „Emmendinger Weg“?

Der „Emmendinger Weg“ entstand vor ca. 4 Jahren aus der Erkenntnis: wir möchten etwas verändern. Im Sinne der kontinuierlichen Verbesserung unserer Strukturen und Prozesse haben wir in Anlehnung an das Feedback aus unseren Patienten- und Mitarbeiterbefragungen sowie auf Basis der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse moderner psychiatrischer Behandlung einen Change-Prozess initiiert. Dahinter steckt ein Projekt zur Veränderung der therapeutischen Haltung und des therapeutischen Rahmenkonzepts in der Psychiatrie. Ziel ist es, die Therapiequalität zu verbessern, Zwang und Gewalt zu reduzieren und die Mitarbeiterzufriedenheit zu steigern.

Die Projektgruppe, in der alle Stationen und möglichst alle Berufsgruppen vertreten waren, orientierte sich überwiegend am Safewards-Modell, am Weddinger-Modell sowie am Recovery-Ansatz. Nach der Themensammlung bildeten sich Arbeitsgruppen und die Planungsphase begann. Die Arbeitsgruppen befassten sich intensiv mit Themenfeldern, wie bauliche Gegebenheiten der Klinik, Haltung der Mitarbeitenden gegenüber Patienten, Angehörigenarbeit, Schulungen der Mitarbeitenden und konkrete Maßnahmen aus dem Safewards-Modell.
 

Warum finden Sie das Projekt so wichtig?

Weiterentwicklung ist für alle Beteiligten eine große Aufgabe und eine große Chance. Wenn wir uns dem öffnen, können Veränderungen zur Qualitätssteigerung der Versorgung und somit zur Zufriedenheit der Mitarbeitenden beitragen. Dadurch erhalten Patienten eine qualitativ hochwertige Behandlung, wodurch Leid gemindert wird und die Genesung der Patienten positiv beeinflusst werden kann. Dabei spielt die professionelle Haltung der Mitarbeitenden eine große Rolle. Ob ich den Patienten bevormunde oder ob ich ihn als gleichwertiges Individuum mit seinen Bedürfnissen, Wünschen und Träumen wahrnehme und ihm mit Respekt begegne, beeinflusst die Beziehung zum Patienten immens, was die Grundlage für eine therapeutische Beziehung darstellt. Auch Hilfe zur Selbsthilfe steht in diesem Ansatz im Vordergrund, was dem Patienten seine Autonomie, soweit es möglich ist, belässt und ihm hilft, den Umgang mit seiner Krankheit selbstbestimmt zu managen. Dies resultiert aus dem Recovery-Gedanken.
 

Was sind die wichtigsten Maßnahmen des „Emmendinger Weges“ und welche Erfolge sind spürbar?

Es gibt nicht die wichtigsten Maßnahmen, würde ich sagen. Wenn eine wirkliche Veränderung spürbar werden soll, dann sind alle ausgewählten Maßnahmen wichtig.

Erfolge zeigen sich in der Reduktion von Zwang und Gewalt. Der Aufbau einer Beziehung zum Patienten rückt stärker in den Vordergrund und viele Maßnahmen konnten durch deeskalierendes Verhalten und Begegnungen auf Augenhöhe mit dem Patienten abgewendet werden. Oft kann durch eine 1:1 Betreuung (ein Mitarbeitender betreut einen Patienten) eine freiheitsentziehende Maßnahme verhindert werden.

Nach einer Mitarbeiterbefragung zu den umgesetzten Maßnahmen wurden die haptischen Maßnahmen als sehr effektiv eingeschätzt. Hierzu zählen beispielsweise der Einsatz von Genesungsbegleitern, eine Skillbox mit Methoden zur Beruhigung, Serviceleistungen wie eine freie Waschmaschine oder Zigaretten und auch die neue Schließanlage, durch die mehr Privatsphäre und Sicherheit sowie ein Rückzugsort für die Patienten geschaffen wurde.

Andere Maßnahmen, wie beispielsweise die gegenseitige Erwartungshaltung, brauchen mehr Zeit, weshalb Erfolge sukzessive spürbar werden.

Was für den „Emmendinger Weg“ und unsere Klinik eine wirkliche Bereicherung wäre, ist ein Pflegeexperte APN (m/w/d). Mit unserem Strategie-Konzept Pflege 3.0 haben wir innovative Stellen für akademisch ausgebildete Pflegekräfte geschaffen und für die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie suchen wir derzeit noch einen Pflegeexperten APN (m/w/d).
 

Was hat sich durch den „Emmendinger Weg“ verändert?

Die Veränderungen sind vielschichtig. Im Patientenbereich beeinflussen Reflexion, Nachbesprechungen und wiederholende Schulungen in Deeskalation der Mitarbeitenden den Beziehungsaufbau zum Patienten positiv. Ebenso gibt es auf jeder Station einen Deeskalationstrainer, der wiederum die Mitarbeitenden schult. Des Weiteren bildeten wir eine Safewards-Trainerin für die nachhaltige Implementierung der Safewards- Interventionen auf den Stationen aus.

Durch bauliche Maßnahmen wurde zudem mehr Privatsphäre und Sicherheit sowie ein Rückzugsort für die Patienten geschaffen.

U.a. sind folgende Ad-Hoc Maßnahmen heute bereits umgesetzt:

  • Transponder-Türschließsysteme
  • Geschützter Zugang zum Garten
  • Freier Patienten-PC, freies Patienten-Telefon und Handyerlaubnis
  • Freie Waschmaschine 
  • Freie Zigaretten
  • Erhöhung des freien Stationsbudgets
  • Sofort-Renovierung nach Vandalismus

Weitere Maßnahmen aus dem Safewards-Modell wurden umgesetzt:

  • Gegenseitiges Kennenlernen (Bildschirm)
  • Gegenseitige Erwartungen (trialogisch entwickelt)
  • Entlassnachricht (tree of hope)
  • Tagesbotschaften
  • Methoden zur Beruhigung (Skillbox)
  • Wertschätzende Kommunikation

Ein wichtiger Bestandteil des „Emmendinger Weges“ ist die Veränderung der therapeutischen Haltung und des therapeutischen Rahmenkonzepts. In diesem Kontext beinhaltet der „Emmendinger Weg“ folgende Punkte:

  • Beschäftigung von Genesungsbegleitern (EX-IN)
  • Etablierung von Kleinteams
  • Behandlungsvereinbarung/ Krisenplan 
  • Konzept zur Leitungsvisite (nicht über, nur mit…)
  • Ohr des Patienten
  • Brøset-Skala (BVC)
  • Schulung und Vorträge zu Recovery
  • Open-Dialogue-Fortbildung
  • Algorithmus „Gewaltprävention“
     

Was heißt EX-IN?

EX-IN ist eine Qualifizierungsmaßnahme mit Abschlusszertifikat für psychiatrieerfahrene Menschen, die dazu befähigt, im Bereich der Psychiatrie als Genesungsbegleiter und/oder Dozent bezahlt zu arbeiten.

Was macht ein EX-IN Genesungsbegleiter (Abkürzung Experienced-Involvement = Erfahrene Beteiligte)?

Ein EX-IN Genesungsbegleiter vertritt die Sicht des Pateinten. Es handelt sich um Mitarbeitende, die einen Leidensweg hinter sich haben, der dem Weg der Patienten ähnlich ist. Die Integration von exklusivem Erfahrungswissen führt zur Verbesserung psychiatrischer Hilfen und zu einem besonderen Zugang zu den Problemlagen psychiatrieerfahrener Menschen: Wir gehen weg vom „Ich-Wissen“ und kommen zum „Wir-Wissen“. Der Genesungsbegleiter unterstützt in der Aufnahme sozialer Beziehungen, gestaltet tagesstrukturierende Einzel- und Gruppenangebote und unterstützt den Patienten bei der Entwicklung wirksamer Copingstrategien. Deshalb vervollständigen die EX-IN Mitarbeitenden die Sichtweisen der Professionen und können den Behandlungserfolg ergänzend im multiprofessionellen Team unterstützen.
 

Gibt es Vorurteile über die Psychiatrie, die sich für Sie nicht bestätigt haben?

Ein fortwährendes Problem besteht in den Vorurteilen gegenüber psychisch kranken Patienten, aber auch gegenüber der Einrichtung Psychiatrie. Es ist eine permanente Aufgabe der Stigmatisierung von psychisch kranken Patienten entgegenzuwirken. Oft entstehen durch Unkenntnis, durch mangelndes Verständnis, aber auch übermittelte Geschichten über die Psychiatrie Vorurteile, welche sich in der Bevölkerung festigen und dem Alltag in einer Psychiatrie nicht gerecht werden. Es gilt, sich klar zu machen, dass jeder von uns eine Krise im Leben erleiden kann, welche einen „aus der Bahn werfen“ kann: z.B. der Verlust einer sehr nahestehenden Person, ein traumatisches Erlebnis, wie eine Naturkatastrophe oder eine Psychose.

Es kann jeder in solch eine Lage kommen und wäre nicht auch jeder froh, man würde ihn als Mensch sehen und behandeln? Das ist ein Beitrag, den wir alle leisten können.

Was hat Sie überrascht, als Sie in der Psychiatrie angefangen haben zu arbeiten?

Es hat mich beeindruckt, dass der Patient im Mittelpunkt steht und nicht über ihn, sondern mit ihm gesprochen wird. Dies drückt sich in gemeinsamen Visiten mit dem Patienten aus, in der gemeinsamen Behandlungsplanung und durch? Behandlungsverträge. Ein weiterer Punkt ist die Krankheitsbewältigung und die Autonomie des Patienten, die einen sehr hohen Stellenwert hat. All dies sind Werte, die das professionelle Handeln bestimmen.

Diese professionelle Haltung implementiert einen hohen Anspruch an die Mitarbeitenden und bedeutet permanente Investition und Reaktion auf Veränderung. Deshalb sind wir mit dem Projekt „Emmendinger Weg“ gestartet und führen es weiter als Organisationsentwicklungsprojekt mit dem Ziel: auf der einen Seite einem hohen Qualitätsanspruch der Behandlung gerecht zu werden und auf der anderen Seite qualifizierte Mitarbeitende bereitzustellen, die zeitnah Veränderungen mitgestalten, die wichtig und notwendig sind, um eine bestmögliche Versorgung sicher zu stellen. Dies zeichnet für mich die Arbeit im ZfP aus. Zudem braucht man für eine solche Weiterentwicklung wie den „Emmendinger Weg“ Handlungsspielraum, Unterstützung der Kollegen und das Vertrauen der Führung, welches ich im ZfP vollumfänglich genießen darf. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken.

Susanne Mc Cleskey
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